Etwas mulmig war mir schon zumute, als ich in der Haupthalle des Flughafens Kloten unsere Freundin Doris Slongo dazu anstiftete, ein Abschiedsfoto mit Gepäck zu machen. Ich wusste doch genau, dass die Flughafenleitung dies nicht gerne sieht. Es kommt nicht wieder vor. Nach dem knippsen war das einchecken vom Gepäck angesagt. Es war viel mehr, als wir eigentlich mitnehmen durften und ich hatte mich schon auf lange Diskussionen eingestellt. Abgesehen vom Papierkram ging dann eigentlich alles rund und auch die Gebühren waren mit 92.- Franken im grünen Bereich. Dass uns der schlimmste Teil der Reise noch bevor stand, ahnte ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht.

Mit viel Gepäck in den Norden. Ein letztes Bild vor dem Grossen Abenteuer in Zürich. Fotografieren im Flughafengebäude Zürich ist eigentlich nicht erlaubt. Kommt nicht wieder vor.
Nach einem gemeinsamen Abschiedstrunk verliess uns Doris Slongo und wir gingen mit unserem Handgepäck zur Sicherheitskontrolle vor den Gates. Ich hatte es vergessen; all die vielen kleinen Geräte wie SOS-Sender, GPS-Empfänger, Displays für die Drohnen, insgesamt sechs HD’s für die drei Computer, Zubehörteile für die Satelliten-Anlage….. und, und, und! Es gab keine Gnade. Es musste alles raus aus der Tasche. Sieben Schalen habe ich damit gefüllt, bis in meiner Tasche nichts mehr verdächtiges war. Alles verschwand im schwarzen Loch des Röntgengerätes. Erleichtert wollte ich am Personal vorbei durch den Personenscanner auf die andere Seite, um alles wieder aufzusammeln.
Energisch blickte ein Sicherheitsbeamter auf meinen Bauch und deutete auf meinen Gurt. Bitte nicht den Gürtel dachte ich! Ich hatte doch die vielen Taschen meiner G1000-Hose vollgestopft mit Handy, drei Portemonnais für Schweizer Franken, Euro und norwegische Koronen. Ein Reserveakkus für meine Videokamera fand auch seinen Platz. All dies wiegt so einiges und ich hatte vergessen, diese Sachen auch aufs Rollband zu legen.
Ohne Gurt um den Bauch bleibt die Hose nicht da, wo sie bleiben soll. So war es denn auch; hatte ich all die anderen Fluggäste hinter mir schon vorher gestresst, mussten sie jetzt auch noch meinen Hintern ansehen, denn bevor ich nachgreifen konnte, war die Hose unten. Natürlich musste ich die Hosentaschen auch noch leeren. Ich wollte gar nicht mehr zurück schauen, so sehr hab ich mich für diesen Auftritt geschämt. Wahrscheinlich dachten die, ich sei ein Krämer mit geklauten Ware auf dem Weg zu einem Basar. Mindestens so oder ähnlich muss es ausgesehen haben.
Ruhig und auffällig freundlich reagierten das Sicherheitspersonal. keine Vorwürfe, kein Stress. Ja, es gab sogar noch freundliche Worte zum Abschied. Mein Herz klopfte immer noch wie wild, als ich in einer Lautsprecher-Durchsage den Namen meiner Frau und mir hörte. Die Aufforderung an Mrs. Doris Codiga und Mr. Charles Michel, sofort ans Gate 54 zu gehen, veranlasste mich zu einen Blick auf meine Uhr. Wir waren zu spät, viel zu spät. Meine Vorstellung bei der Sicherheitskontrolle hatte viel Zeit gekostet.
Wir rannten durch die langen Gänge und endlich waren wir beim Desk vor dem Gate 54. Kein Mensch weit und breit ausser einer genervten Angestellten, die ebenfalls zurück zum Desk eilte, um uns gnädiger Weise doch noch ins Flugzeug zu lassen. Natürlich mussten wir im Flugzeug von ganz vorne bis ganz nach hinten zur beinahe letzten Sitzreihe. Vorbei an all den strafenden Blicken der anderen Fluggäste, die wegen uns nicht pünktlich abfliegen durften.
Der Flug nach Oslo war sehr schön, abgesehen vom Kleinkind, dass zwei Reihen vor uns während des ganzen Fluges schrie und einer extrem laut krächzenden Frau einer Reihe hinter uns. Wir kennen sie alle; jene Menschen, die glauben, je lauter sie reden um so überzeugender seien sie. Ein Profi in dieser Sache sass also genau hinter uns und versuchte, ihren Mann von irgend einem Sachverhalt zu überzeugen. Dieser murmelte so alle zehn Minuten etwas vor sich hin, was die Frau jedes mal anfeuerte, noch energischer weiter zu reden.
In Oslo angekommen, fanden wir uns alle wieder, in der riesigen Halle mit den zehn Förderbändern für das Gepäck. Alle standen wir vor drei grossen Monitoren an der Decke und warteten auf die Anzeige mit dem Hinweis, auf welchem Rollband wir das Gepäck abholen durften. Speziell in Oslo ist, dass ausländische Fluggäste, die einen Innland-Weiterflug gebucht haben, zuerst ihr ganzes Gepäck im internationalen Bereich abholen müssen, um dann damit durch den Zoll zu gehen. Anschliessend muss das Gepäck auf einer anderen Etage für den Inlandflug wieder eingecheckt werden. Und danach ist wieder eine Sicherheitskontrolle für Passagier und Handgepäck angesagt. Ich habe dieses System ausser in Oslo noch nie erlebt. Anderseits kenne ich diesen Flughafen von früheren Reisen gut.

Während dem Flug von Oslo nach Evenes; immer wieder schöne Wolkenbilder. Die Landschaft unter den Wolken wird immer weisser.
Ich war nach einer halben Stunde warten vor den Monitoren ziemlich genervt. Noch immer kein Hinweis auf das Förderband für unser Gepäck. Laut Reiseplan unseres Reisebüros hatten wir für den Wechsel auf den Inlandflug nach Evenes 1 Stunde und 35 Minuten Zeit. Während Doris beim Handgepäck vor dem Förderband 1 wartete (dort wo alle warteten), begann ich die anderen Rollbänder nach unseren auffällig grünen Taschen abzusuchen. Tatsächlich fand ich sie auf dem Rollband 8. Laut schrie ich nach Doris, was bei allen anderen wartenden Fluggästen ein Wettlauf auslöste. Immer noch irritiert von der Anzeige „Stockholm“ bei Rollband 8 suchte ich unseren grossen Karton mit der Satellitenantenne. Auf Rollband 6 fand ich sie und wir stürmten durch den Zoll zum einchecken des Gepäcks für den nächsten Flug nach Evenes. Das mussten wir, wie schon erwähnt, eine Etage höher erledigen. Das normale Gepäck am einen, die Satellitenantenne an einem anderen Schalter. Wir waren in diesem Bereich ganz alleine. Um 21:00 Uhr fliegt offenbar niemand mehr in Norwegen.
Bei der folgenden Sicherheitskontrolle warteten etwa 10 Sicherheitsbeamte/-innen und hatten viel für uns Zeit. Wie schon in Zürich musste ich all meine Taschen leeren (inkl. meinen Hosentaschen). Den Gurt durfte ich dieses mal anbehalten. Es dauerte und mein Hinweis auf den Zeitdruck für anstehenden Flug fand kein Gehör. Wieder und wieder wurden einzelne Schalen durch das Röntgengerät geschoben. Mit fachmännischem Blick wurden dann die Bilder auf dem Monitor besprochen. Mein Wunsch an eine der Sicherheitsbeamtinnen, doch beim Gate anzurufen und unsere Verspätung anzumelden, wurde ziemlich unhöflich abgelehnt.
In Gedanken sah ich uns schon längst auf dem Boden vom Flughafen schlafen, denn der Start unserer Maschine war laut Reiseplan in wenigen Minuten. Nach einer gefühlten Ewigkeit war auch die letzte Schale mit unseren Geräten geprüft und wir durften weiter. Auf der Anzeigetafel fehlte der Flug nach Evenes. Der Hinweis auf der Bordingkarte half weiter; zum Gate F mussten wir. Also machten wir uns auf den Weg, wieder durch eine Zollkontrolle. Der Beamte fragte uns mit dem Ticket in der Hand sehr höflich, wo wir den hin fliegen. Ich deutete auf das Ticket und den Hinweis auf EVE und nannte ihm unser Reiseziel. Er meinte etwas irritiert, dass heute kein Flug mehr nach Evenes geht. Ich zeigte ihm unseren Reiseplan, den er mit seiner Kollegin besprach. Schliesslich belehrte er uns, dass wir nach Harstad / Narvik fliegen müssen und dass dieser Flug in diesem Moment startet.
Es war wie eine eiskalte Dusche! Natürlich, Evenes, Harstad und Narvik sind immer der selbe Flughafen. Etwas speziell, denn der Flughafen liegt eigentlich bei der Ortschaft Evenes. Von Evenes nach Harstad sind es 53 Kilometer und von Evenes nach Narvik sind es 68 Kilometer. Das wäre also etwa das selbe, wie wenn der Zürcher Flughafen Kloten einmal „Basel“, einmal „Zürich“ oder dann wieder „Luzern“ heissen würde.
Der Beamte informierte uns sehr freundlich über das uns bevorstehende Prozedere: Wir seien jetzt vor dem Gate F im internationalen Bereich des Flughafens. Wir müssen jetzt durch den Zoll wieder raus in den nationalen Bereich und dann erneut durch die Sicherheitskontrolle zu Gate A. Dieses sei auf der anderen Seite des Flughafens im alten Bereich. Geschockt von dem, was wir da hörten, bat ich ihn, das Gate A über unser Kommen zu informieren.
Es führte kein Weg an diesem irrwitzigen Parcours vorbei und wieder standen wir eine Etage höher vor der Sicherheitskontrolle. Es waren die selben Beamten/-innen, die schon 10 Minuten vorher unser Handgepäck kontrollierten. Ihr werdet es vermuten; das Selbe noch einmal. Alles musste wieder raus aus den Taschen in die Schalen und durch das Röntgengerät. Akribisch wurde wieder alles angeschaut und dieses Mal musste auch mein Gurt in die Schale.
In diesem Moment erhielt das Wort Sprengstoffgürtel eine ganz neue Bedeutung für mich. Es war so zu sagen der Tropfen, der das Fass zum überlaufen brachte. Nicht nur, dass sie wie schon zuvor alle Geräte wieder und wieder durch den Scanner schoben und untereinander besprachen, jetzt wollten sie auch meinen Gürtel. Ich explodierte förmlich und entgegen meinen Verstand brachte ich meine Verärgerung deutlich zum Ausdruck. Das war eine schlechte Idee. Nun benutzten sie das ganze Repertoire an möglichen Sicherheitskontrollen für potentielle Terroristen. Doris war längst unterwegs zum Gate A20. Für mich war zu diesem Zeitpunkt klar, dass wir in Oslo übernachten werden, denn gemäss Zeitplan, war unser Flugzeug längst auf den Weg nach Evenes, bzw. eben nach Harstad oder Narvik.
Als ich dann endlich auch beim Gate A20 eintraf, wartete zu meiner Überraschung das Flugzeug auf uns. Ich konnte diesen Moment gar nicht geniessen. Noch immer war ich verärgert über die Ereignisse bei den Sicherheitskontrollen. Mit knapp einer Stunde Verspätung startete die Maschine Richtung Norden. Das Wetter war traumhaft. Die grüne Landschaft wurde immer weisser. Evenes bzw. Harstadt / Narvik war nicht der letzte Flug unserer Reise. Ich machte mir Gedanken, ob der Anschlussflug nach Andenes, auf uns warten würde. Die Stewardess klärte für uns den Sachverhalt beim Piloten und kam schon nach wenigen Minuten mit der Nachricht zurück, dass der nächste Flieger auf uns wartet. Einzig für das Gepäck können sie nicht garantieren. Das Personal in diesem Flugzeug war ausserordentlich freundlich und hilfsbereit. Wenige Minuten vor der Landung brachte uns die Stewardess zur vordersten Sitzreihe, damit wir als erste aussteigen durften.

Nur zwei Flugzeuge sind auf dem Flughafen Evenes. Im kleinen Propellerflugzeug warten wir auf unseren Weiterflug während vor dem anderen der Gepäckwagen stehen bleibt. Es bleibt bis zur Landung in Andenes unklar, ob unser Gepäck doch umgeladen wurde.
Es war ein gutes Gefühl zu wissen, dass wir trotz aller Umstände heute Nacht doch noch in Andenes eintreffen werden. Die Plätze in der kleinen Propellermaschine waren nicht nummeriert, wir konnten sitzen wo wir wollten. Meine Sorge galt jetzt dem Gepäck. Ich wählte deshalb meinen Platz so, dass ich rüber zum Gepäckwagen beim anderen Flugzeug sehen konnte. Das Gepäck wurde ausgeladen, doch der Gepäckwagen blieb vor dem Flugzeug stehen. Unsere auffälligen grünen Taschen und die Kiste mit der Satellitenantenne konnte ich nicht sehen. Während dem Flug nach Andenes machte ich mir Gedanken darüber, wir wir den Transport vom Gepäck zum Schiff organisieren können, wenn dieses erst am nächsten Tag in Andenes ankommt. Weiter hoffte ich, dass das Mietwagenbüro noch besetzt ist. Ich hatte im Internet einen Kleinwagen für die Fahrt zum Schiff reserviert.
Nach einem kurzen Flug erreichten wir lange nach Mitternacht Andenes. Meine Erleichterung war gross, als uns bereits wenige Minuten nach unserer Ankunft unsere beiden Taschen und die Kiste mit der Satellitenantenne übergeben wurden. Auch das fröhliche Lachen der Angestellte vom AVIS-Mietwagenbüro half mit, den ganzen Frust zu vergessen. Schon nach wenigen Minuten war der Papierkram erledigt und das Gepäck im Auto verstaut.

Die Landschaft unter uns wird immer spezieller. Kleine Inseln wechseln sich ab mit den mächtigen Bergen der Lofoten.
Andenes ist eine Insel nördlich der Lofoten in Nordnorwegen, weit nördlich des Polarkreises. Diese Landschaft ist atemberaubend schön. Bis zur MV SAN GOTTARDO erwartet uns jetzt noch eine einstündige Autofahrt. Zu unserer Überraschung ist es immer noch hell und es liegt hier kein Schnee mehr. Weit und breit sind keine Menschen zu sehen und kein einziges Auto ist uns begegnet. Unabsichtlich scheuchen wir immer wieder hunderte von Gänsen auf, die am Strassenrand genächtigt haben und auch ein mächtiger Elch zwingt uns, unsere Reisegeschwindigkeit seinem Tempo anzupassen. Es ist eine andere Welt hier im Norden von Europa. Diese wunderschöne Landschaft und die Langsamkeit taten uns gut, um den Stress der letzten Stunden abzubauen.

Lange nach Mitternacht ist es immer noch es hell. Noch vor zwei Wochen lag hier Schnee. Die Landschaft auf der Insel Andoja ist wunderschön. Trotz starkem Wind lag zwischen den Bäumen Bodennebel.

Im Bodennebel kaum zu erkennen. Riesige Gänsegruppen lagen dicht am Strassenrand und flatterten mit lautem Geschrei auf, als wir vorbei fuhren.

Elche meiden normalerweise den Menschen. Vor Autos haben sie jedoch keine Angst. Das erzählte mir ein Jäger im vergangenen Jahr. „Wenn Du sie beobachten willst, bleib im Auto mit verschlossenen Scheiben, dann stört sie nicht einmal das Motorengeräusch.“ Gemächlich läuft dieser Elch vor unserem Auto und demonstriert, wem dieses Land gehört.